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Ausgangssituation:
Seit ich manchmal ein wenig Gitarrenunterricht gebe, stelle ich fest, dass die jungen Leute praktisch keine Volkslieder mehr kennen: meist haben sie gerade noch einen (sehr geringen) Schatz an Kinderliedern. Wenn ich frage, welche Lieder sie denn in der Schule lernen, höre ich Beispiele von recht komplizierten Liedern, die die Kinder dann nicht einmal richtig singen können. Jedenfalls nicht so, dass man sie mit ein paar Akkorden begleiten könnte. Einen gemeinsamen Schatz an Liedern scheint es nicht mehr zu geben.
Ich bin überzeugt davon, dass dies ein Fehler des Unterrichts in den Grundschulen, aber auch in allen weiterführenden Schulen ist: Volkslieder sind wohl verpönt, in ihnen wird ja nur eine (überholte) Gesellschaftsordnung tradiiert.
Ich denke, einen gewissen Schatz von Volksliedern zu kennen - singen zu können - ist nicht nur Vorsaussetzung für jeden Instrumentalunterricht, sondern ist viel grundsätzlichere Voraussetzung für Teilnahme am kulturellen Leben. So dumm das Gerede von der "Leitkultur" ist, so sehr ist Kultur ohne Kenntnis von Liedern, die alle gemeinsam kennen, gar nicht denkbar.
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Wie will man denn Völkerverständigung beginnen, wenn nicht mittels Liedern? Wenn (junge) Menschen aus den verschiedensten Milieus zusammenkommen, so schlägt doch gemeinsames Singen zuerst einmal Brücken auf emotionaler Ebene. Dazu brauche ich keinen Vortrag über die Kultur des anderen! Da brauche ich nicht zu reden, Singen bringt Menschen einander näher!
Wie oft habe ich erlebt, dass man bei Begegnungen gerade auch in fremden Ländern einfach gemeinsam sang. Und natürlich wird auch ein Beitrag aus Deutschland erwartet. Das Kennenlernen fremder Lieder ist ein Erlebnis und etwas Wertvolles. Dazu muss ich aber auch einen Schatz auch deutscher Lieder kennen, aus dem ich zur gegebenen Situation schöpfen kann. Menschen anderer Kulturen sind oft sehr viel eher bereit, ihre "Seele" zu zeigen, ihrer Stimmung in Liedern Ausdruck zu geben. Warum tun wir das nicht, warum bringen wir unseren Kindern so wenige Lieder bei, die sie auch verstehen, die sie singen können?
Hier sei ein Seitenhieb auf die moderne Erlebniskultur erlaubt: Spaßparks, wie der Europapark verhindern eben gerade das Kennenlernen fremder Völker, Sprachen und Kulturen. Hier wird nicht miteinander gesprochen und gesungen, hier lässt man sich berieseln. Warum können die eigentlich nicht eine Arena anbieten, in der man gemeinsam Volklore (Neuhochdeutsch "Folk") singt? In der man das Publikum singen läßt?
Es muss ja nicht einmal ein internationaler Rahmen sein, in dem man Volkslieder singt: auch innerhalb Deutschlands sollte man durch die Kenntnis regionaler Lieder seinen Beitrag leisten können. Ich wundere mich immer, wie viel Zuspruch wir mit unseren Bands bekommen, wenn wir ein paar badische oder auch bayerische Lieder singen!
Auch wenn ich Menschen integrieren will, brauche ich Lieder, die allen bekannt sind. Das Verständnis für andere Kulturen kann ganz wesentlich über das Singen gefördert werden. Dazu muss aber jeder seine eigene Kultur kennen.
Ich denke, es ist ein Fehler, zu meinen, es reicht, "internationale" Lieder - leider meist nur englische - fördern das Zusammenwachsen. Auch wenn ich mich nicht so recht ausdrücken kann, wenn ich nicht definieren kann, was mein Wesen oder das meiner Region, meines Umfeldes ist, so fördert der Vortrag von gemeinsamen Liedern doch das gegenseitige Verständnis.
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Lieder können auch die eigene Geschichte erklären, den Geschichtsunterricht interessant machen: Gerade in den Volksliedern sind doch die Geisteshaltungen der neueren und neuesten Zeit festgehalten! Und gerade diese Epochen können Lehrer nur recht schwer vermitteln. Mit Volksliedern geht das ganz einfach.
Wir kennen Lieder aus der 48-er Revolution (und der Zeit davor, in der ja die meisten unserer Volkslieder entstanden sind), wir kennen Lieder aus der Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, usw.
Wir haben aber auch z.B. mit den "Gälfiäßlern" oder Gerd Birsner, Liedersammlern und -dichtern aus Baden, mit Uli Führe auch einen modernen Komponisten, der gerade für Kinder und Jugendliche tolle Lieder komponiert hat. Jeder Dialekt hat seine Lieder und zumindest das eine oder andere Beispiel sollte man kennen. Auch so kann man Deutschland vorstellen.
Wir kennen aber auch Lieder vor diesen Zeiten (seltsamerweise sind diese in fremden Ländern bekannter als bei uns) z. B. 'Ännchen von Tharau', oder 'Ich weiß nicht, was soll es bedeuten'.
Auch andere Fächer, wie Geographie, Arbeitslehre oder Sport können von Volksliedern profitieren. Wäre das nichts: Tanzen für Buben und Mädchen im Sportunterricht! Ich hab das mal als Arbeitsgemeinschaft gemacht.
Aber ich will nicht nur davon reden: auf der folgenden Seite finden Sie eine Liste mit mindestens 285 Titeln, geordnet nach Themen. Natürlich kann man immer nur eine Auswahl daraus Kindern beibringen, aber Eltern und Lehrer seien hiermit aufgerufen, unser Liedgut weiterzugeben!
Übrigens: Die deutsche Antwort auf die Pisa-Studie: Studiengebühren!! |