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Diese Ideensammlung stammt aus dem Januar 1995. Sie war wesentlicher Teil des Wahlkampfes und wurde während meiner Kandidatur zum Bürgermeister in alle Haushalte verteilt. Manche der Ideen sind inzwischen Realität, manche sind immer noch aktuelle Ziele:
1. Standpunktbestimmung:
Rheinhausen ist eingezwängt zwischen den Europapark und mehrere Naturschutz-/Landschaftsschutz-Gebiete im Westen, Osten demnächst auch Süden, die eine flächenmäßige Entwicklung kaum zulassen. Der Leopoldskanal spätestens stellt auf absehbare Zeit ein unüberwindliches Entwicklungshindernis dar.
Auch die überregionale Zukunftsplanung sieht Rheinhausen einmal als Eigenentwicklungsgemeinde, andererseits als Naherholungsgebiet. Auch hier ist eine Ausweitung Richtung produzierendes Gewerbe überhaupt nicht vorgesehen.
Auch die fehlende Anbindung nach Westen, wo vielleicht Entwicklung zu erhoffen wäre, ist bestimmt auf Jahrzehnte hinaus abgeschnitten, selbst wenn ein kleiner Rheinübergang bei Weisweil käme. Rheinhausen kann also auch keine Zentral-, Verbindungs- oder auch umfangreichere Zulieferfunktion übernehmen.
Dies sind m. E. Gegebenheiten, über die es sich nicht lohnt zu streiten. Bleibt also die große Frage:
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Welches kann die Rolle Rheinhausens in dieser Lage in Zukunft überhaupt sein?
Die Nachbarschaft schreibt uns eine Rolle vor, ob wir wollen oder nicht: Wir müssen uns im Fremdenverkehr eine Zukunft zu suchen. Es kann zwar im heimischen Handwerk und Gewerbe den einen oder anderen Arbeitsplatz geben, davon kann aber unsere Gemeinde kaum reich werden.
Nun haben wir ein industrielles Fremdenverkehrsunternehmen vor der Haustür. Es wäre lächerlich, diesem Konkurrenz bieten zu wollen. Auch als Anhängsel / Zulieferer für den Park sehe ich keine reelle Chance für eine selbständige Entwicklung, weil uns das Hinterland fehlt. Außerdem haben diese Funktion schon lange andere eingenommen.
Bleibt uns also nur zu überlegen, wo die Stärken und Schwächen des Parks liegen. Dort könnte sich für uns die eine oder andere Nische auftun:
Der Park verkauft Illusionen: Die Illusion, an einem Ort ganz Europa (ja die ganze Welt) erleben zu können. Die Illusion, sich mit tausenden anderen Menschen geborgen und wohl zu fühlen. Dass da zukünftig noch etwas zu holen ist, will ich nicht bestreiten: Das Reisen in fremde Länder wird zum einen einfach viel teurer werden müssen als heute, so dass sich der kleine Mann Fernreisen seltener leisten können wird, zum anderen werden sich die Fernreiseländer auf die Dauer die Zerstörung ihrer Lebensweise, ihrer Infrastruktur, ihrer Umwelt usw. durch die Urlauber nicht mehr gefallen lassen.
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2. Was kann der Park nicht bieten?
Das Gegenteil von Illusion ist Realität. Nur hier sehe ich Chancen für Rheinhausen.
Die Realität ist aber auch unser großer Vorteil gegenüber dem Park: Wir müssen die Realität unserer gewachsenen Gemeinschaft, die Realität unserer gewachsenen Umwelt dem Besucher, der bereit ist, sie wahrnehmen zu wollen, näher bringen, sie ihm schmackhaft machen, sie ihm verkaufen. (Das soll bestimmt nicht heißen, den Charakter unserer beiden Dörfer zu verkaufen, im Gegenteil: wir müssen sie bewahren, weil sie unser Kapital sind, mit dem wir wuchern müssen)
Wichtig ist dabei zu überlegen, welche Besucher könnten überhaupt dafür Interesse zeigen. Der Großteil der Parkbesucher sind Städter, die aus der Betonburg in die weniger betonierte Umgebung Europapark fliehen. (Die geringere Zahl der Besucher aus ländlicher Umgebung ist leichter für uns zu interessieren)
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3. Natur
Ich könnte mir schon vorstellen, dass man einigen von ihnen die Natur schmackhaft machen kann. Wir müssen das schaffen, ohne die Natur zu zerstören, von der und mit der wir ja leben müssen. Rheinhausen kann das aber nicht allein, dazu gehört ein Fremdenverkehrsverband mit den Nachbargemeinden bis zum Schwarzwald hin.
Natur fängt bei uns im Dorf an. Die Leute müssen durchs Dorf spazieren können, sich ab und zu ausruhen können, interessante Haltepunkte finden, die sie anschauen können (offene Handwerksbetriebe, die eventuell auch zur Schau arbeiten). Dazu gehört meines Erachtens auch ein Parkgelände, dessen Einrichtung sich in der Grünzäsur zwischen den Ortsteilen anböte.
Die nähere Umgebung unseres Ortes ist Teil der Natur, die es gilt attraktiv zu machen: wer spazieren gehen, wandern will, möchte nicht in der vollen Sonne laufen, stehen, möchte im Schatten ausruhen können. Unsere Dörfer waren einmal von Streuobstwiesen umgeben, die Schatten und interessante Begegnungen mit Vögeln, Kleintieren aber auch Haustieren ermöglichten. Dort, wo es möglich ist, sollte das Pflanzen von Bäumen, auch an Wegrändern gefördert werden.
Es gibt zum einen Wanderer, die gerne auf "sauberen" Wegen spazieren, andererseits gesundheitsbewusste Leute, die unbefestigte Wege, Graswege vorziehen. Beiden kann man entgegenkommen. Forstmischung, wasserdurchlässige Wegebeschichtungen bieten sich an. Notwendig sind auch Beschilderungen von Rundwegen, von Lehrpfaden, aber auch gedeckte Unterstände, von denen aus man die Natur - besonders unsere reichhaltige und in Bereichen einmalige Tierwelt - beobachten kann (Schilfgürtel, Wasserläufe, Brachvogel).
Der Rheinauewald ist ein besonders erhaltenswertes Gut in unserer Gemarkung. Wir müssen überlegen, wie wir den Missbrauch (Bootsfahrten, Fahrten auf den Waldwegen) einschränken können. Ich glaube, das geht nicht, ohne den Wald für nicht berechtigte Autos abzuschließen. Das aber bedingt eine Änderung der Verordnung für den Taubergießen. Möglich wäre ein generelles Fahrverbot für Autos auf den Waldwegen, Ausnahmen werden mit Auflagen erlaubt und müssen überwacht werden. Besucher, die per Auto oder Bus kommen, bleiben am Waldeingang auf Parkplätzen stehen, können sich durch den Wald mit Pferdewagen fahren lassen, können Fahrräder mieten, zu Fuß laufen, usw.
Das Bootfahren auf dem Altrheinarmen kann nicht im gleichen Umfang wie bisher zunehmen. Ich meine, man muss es grundsätzlich verbieten und nur gegen Auflagen Konzessionen vergeben. Diese könnten den Stand von heute festschreiben.
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4. Dörfliche Gemeinschaft, Begegnung mit Menschen
Bestimmt kann man viele Besucher auch für intakte dörfliche Gemeinschaft interessieren, wie der Zuspruch der Gassenfeste zeigt. Wir müssen also unsere dörfliche Gemeinschaft stärken, d.h. Vereine zu mehr Aktivitäten animieren, die das spontane Einbeziehen, Mitmachen von Gästen zulässt. (Feste, Straßenhocks, öffentliche Aktivitäten aller Vereine, usw.) Gleichzeitig müssen wir auf die Gäste zugehen und die persönliche Begegnung, das Gespräch suchen. Eine Erziehung zu solcher Offenheit ist Aufgabe von Schule, Gemeinde und vor allem Vereinen. Sie ist Voraussetzung dafür, dass sich Gäste bei uns wohl fühlen.
Diese offenen Aktivitäten bedingen entsprechende Möglichkeiten in unserer Bausubstanz - bitte wieder ohne den dörflichen Charakter zu zerstören. Wir müssen mehr Unterbringungsmöglichkeiten - keine Hotels - anbieten, aber man kann auch Gästen aus den Hotels der Regionen abendliche Unterhaltung bieten, wie Tanz, Heimatabende, Musikabende, Vorführungen aller Art....
Dazu gehört auch entsprechende Reklame, die spontan, weitsichtig, professionell gemacht werden muss. usw.
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5. Visionen oder Ideensammlung
Wer in der Saison nach Rheinhausen kommt, findet durch ein leichtverständliches Informationssystem die wichtigsten Einrichtungen. Ein Informationsbüro mit Zimmernachweis steht am Ortsanfang und erlaubt Buchungen für alle Einrichtungen, aber auch für alle Aktivitäten in der näheren Umgebung. (Datuaf wartet man noch immer!)
Viele Häuser haben Privatzimmer, die hier zentral zusammen mit Gästezimmern gewerblicher Anbieter vermittelt werden. (Das ist inzwischen durch private Initiative entstanden. Die Gemeinde hat auch hier eher verzögert, als zu initiiren.)
Hier kann man sich über die verschiedene Nutzung des Rheinauewaldes - z.B. mit Tonbildschaun oder Videofilmen - informieren.
Man kann Kassetten kaufen - sich einen Walkman mieten - mit welchen man auf bestimmten Wanderrouten durch die Naturschutzgebiete geführt wird. Es werden auch jahreszeitabhängig die Besonderheiten der Pflanzen und Tiere entlang des Weges erklärt.
Man kann sich einen sachkundigen Führer mieten, aber sich auch im Pferdewagen durch die Waldwege fahren lassen.
An interessanten Stellen kann man die Tierwelt aus Beobachtungshütten heraus beobachten ohne sie zu stören. (Naturschutzgebiet Elzwiesen, Innenrhein, Altrheinarme, Rhein)
Am Waldrand zum Rheinauewald sind Parkplätze eingerichtet. Der motorisierte Verkehr bleibt hier stehen. Hier beginnen beschriebene Rundwanderwege, Lehrpfade und kleine Touren. Wer den Rhein anschauen will, soll dorthin wandern.
Lange, stabile Holzstege führen über Teile der Altrheinarme und erlauben, die Natur zu beobachten. Informationstafeln weisen auf Besonderheiten hin. (Durch das "Integrierte Rheinprogramm" der Landesregierung ist der ganze Wald umgemodelt worden. Dort sieht es wie auf dem Mond aus. Taubergiessen ade!)
Bootsfahrten sind nur noch mit einer Konzession erlaubt, die Konzessionsinhaber müssen strenge Auflagen erfüllen. Private Fahrten - vor allem auch im Kajak - auf den Altrheinarmen sind nicht zugelassen. (Ersteres nicht auf Initiative der Gemeinde, sondern von oben herab. Private und kommerzielle Fahrten sind z.T. immer noch erlaubt. Rheinhausen und die Fischerzunft haben geschlafen.)
Es findet ein Wochenmarkt abwechselnd in den Ortsteilen statt (Später auf dem nicht bebaubaren Geländestreifen zwischen den Ortsteilen). Hier wird auch die Zubereitung einheimischer Gerichte demonstriert und erklärt.
Der Grünzug zwischen den Ortsteilen ist ein Park mit vielen Bäumen, Parkbänken, Abenteuerspielplatz, Festplatz und Sportmöglichkeiten. (Leider inzwischen durch "Bürgermeisterprachtbauten" verschandelt!)
Ein Reiterhof erlaubt nicht nur Ausritte mit der ganzen Familie in die nähere Umgebung (nach Weisweil, Rust, zum Schwarzwald, ...), sondern bietet auch die Möglichkeit, stundenweise den richtigen Umgang mit Pferden/ Ponys zu erlernen. (Den gibt es inzwischen in Herbolzheim, Rheinhausen hat geschlafen!)
Eine Schmiede - vielleicht dem Reiterhof angeschlossen - versorgt zum einen die Pferde, zum anderen kann man hier handwerkliche Tätigkeiten erlernen, die sonst aussterben: Dengeln von Sensen, Schweißen im Feuer, Elektroschweißen oder auch Autogenschweißen, man kann den Umgang mit Schutzgas erlernen, man erlernt das Erstellen von Ziergegenständen (Kerzenleuchter,...)
Eine Seilerei stellt überwiegend Schmuckseile her, bietet aber auch die Möglichkeit, das Herstellen von Seilen zu erlernen.
Bauernhöfe bieten nicht nur "Ferien auf dem Bauernhof“ an, sondern erlauben Gästen auch, in kurzen Veranstaltungen handwerkliche Tätigkeiten zu erlernen, wie Melken (Kuh, Ziege, Schaf), Umgang mit der Sense.
Den Bau von Nachen kann man beobachten, man kann aber auch selbst Hand mit anlegen.
In Bauhandwerksbetrieben kann man alte Bautechniken kennen lernen und moderne Alternativen erlernen (z.B. Ausfachen von Fachwerk, Umgang mit Kalkmörtel...).
In manchen Häusern nutzt man alternative Energiequellen. Sie können besichtigt werden. Langzeituntersuchungen berichten über die Ausbeute solcher Einrichtungen. Die Besucher können sich über die neuesten Angebote vor Ort unterrichten lassen.
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Schlußbetrachtung
Dies ist eine Liste von Möglichkeiten, die vielleicht nicht alle verwirklicht werden, die vielleicht aber auch in anderer Form Realität werden. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, im Gegenteil: Jedermann ist aufgerufen, sie zu ergänzen, sich von ihr anregen zu lassen.
Ich meine, wir Rheinhausener sind lange genug der Entwicklung nachgerannt, haben lange genug beklagt, dass andere uns ihre Probleme vor die Haustür werfen.
Hören wir auf zu lamentieren, sehen wir der Realität ins Auge, lassen Sie uns zu neuen Ufern, neuen Ideen aufbrechen, lassen Sie uns unser Wohlergehen endlich in die eigene Hand nehmen!
Alle, die meine Überlegungen als richtig akzeptieren, fordere ich zum Mitdenken und Mitmachen auf. Ich bin gespannt auf die vielen neuen Ideen, die Rheinhausens Mitbürger beitragen werden.
Bernhard Rawer, Gemeinderat im Juni 1995
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Übrigens: Die deutsche Antwort auf die Pisa-Studie: Studiengebühren!! |